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Dreamer

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Die Straßen waren voller Menschenmassen. Wie immer bei so schönem Wetter. Das treibt die Leute einfach vor die Tür. Genau wie Schlechtes sie in ihre Häuser zwingt.

Sie träumte vor sich hin während sie die Straße entlang ging. Blendete die vielen, hektischen Bewegungen um sie herum aus. Es war einfach. Sie war mittlerweile geübt darin. Jeden Tag tat sie es. Jede freie Minute. Jeden Augenblick, den sie nicht an irgendetwas verschwenden musste. Es war so schön abzutauchen in die hintersten Winkel ihrer Fantasie. Auf blaue Bäume klettern, in fliederfarbenen Flüssen treiben, über weiche Wolken schweben. Hier waren ihr keine Grenzen gesetzt.

Während ihr Geist ganze Welten erschuf, trugen ihre Füße sie teilnahmslos über die bekannten Wege, Straßen und Kreuzungen zurück nach Hause. Was sinnlos war. Sie wusste genau, was sie dort erwarten würde. Ihre Mutter würde sie nach ihrem Schultag ausfragen, sie würde das Nötigste antworten. „Ja, Mutter, ich war sehr gut vorbereitet. Die Arbeit ist mir leicht gefallen. Auch für morgen werde ich lernen!“.

Wie sollte es auch anders sein? Das wurde doch von ihr erwartet. Sie würde immer das tun, was man von ihr erwartet. Fleißig sein. Brav sein. Richtig sein.

Etwas anderes hatte man ihr nicht beigebracht. Hatte sie nie gelernt. Würde sie nie tun. Dazu war sie zu feige. Etwas infrage zu stellen. Etwas nicht zu tun.

Weglaufen, dass war es, was sie immer schon wollte. Einfach laufen. In eine andere Richtung als vorgegeben war. Laufen bis ihre Beine weich wie Pudding sein würden. Und dann…? – Woanders sein. Frei sein. Frei von allem. Keine Pflichten, keine Zwänge, keine Grenzen. Tun und lassen, was sie wollte, wann sie es wollte, wie sie es wollte.

Das war ihr schönster Traum von allen. Sie hatte so viele schöne, doch dieser war ihr der Liebste. Sie träumte ihn so oft. Unzählige Male. Aus einigen war sie mit der Zeit hinaus gewachsen, z.B. der mit den rosa Zuckerwattewolken und den bunten Einhörnern. Doch diesen hatte sie schon immer gehabt. Seit sie wusste wie man träumt. Und sie würde ihn immer haben, denn es würde für alle Ewigkeit ein Traum bleiben.

Nach dem die Mutter die gewünschten Antworten gehört hatte, würde sie zufrieden den Mund halten. Und sie selbst würde einfach nur den Mund halten. Würde sich in ihr Zimmer verkriechen und sofort schlafen gehen. Nicht weil sie müde war, sondern weil es sich im Schlaf am besten träumen ließ. Zugegeben hier hatte sie weniger Kontrolle – eigentlich gar keine, denn ihr Unterbewusstsein würde die Geschichten spinnen – doch es war um Vieles intensiver! Es fühlte sich jedes Mal so echt an. Wenn sie aufwachte, war es ihr als könnte sie immer noch etwas spüren von dem was sie (scheinbar) erlebt hatte. Dicke kalte Regentropfen, die ihr ins Gesicht prasselten und sie am ganzen Körper zittern ließen. Wärmende Sonnenstrahlen, die sie wie eine gemütliche Decke umhüllten. Sanfte Lippen, die ihr einen Kuss stahlen.

Manchmal viel es sogar schwer, zu unterscheiden, was süßer Traum und was gemeine Wirklichkeit war.

Konnte man es ihr verdenken? War es denn so kindisch…so unvernünftig…so verwerflich sich mehr zu wünschen, als die Welt tatsächlich geben kann? Sich nach etwas zu sehnen, was unmöglich ist? War es denn so traurig, sich selbst und seine Umwelt neu erschaffen zu wollen?

Nein… Nein… Nein…

„Nein!“ flüsterte er.

Das Auto raste schrill hupend an ihr vorbei. Sie hatte gerade noch gesehen wie der Fahrer wild den Kopf schüttelte. Das zweite was sie bemerkte war der feste Griff um ihr Handgelenk. Eine starke Hand hatte sich darum geschlossen. Erst jetzt wurde ihr bewusst, was passiert war. Sie schaute hinauf, um ihm zu danken. Beinahe wäre sie gedankenverloren über die Straße gelaufen. Dann versank sie in den blauesten Augen, die sie je gesehen hatte. Strahlend und tiefblau wie das reinste Meer waren diese Augen. Schlagartig wurde ihr klar, dass sie noch nichts gesagt hatte. Sie öffnete den Mund, doch genau wie wenn man in einem Meer versinkt, bekam sie auch jetzt keine Luft mehr und brachte nur ein schrilles Quietschen hervor. Sie spürte wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.

„Keine Ursache“, kam über seinen grinsenden Mund.

„Danke!“ murmelte sie, doch dankbar, dass ihre Stimme endlich gehorchte.

„Man sagte mir schon, dass du Abenteuer magst. Wollen wir also?“, seine Hand löste sich von dem Griff und wurde ihr nun entgegen gestreckt.

Sein schelmisches Grinsen verzog sich nun zu einem warmherzigen Lächeln. Sie war wie in einem Bann. Doch nun meldete sich ihr Verstand endlich wieder: „Was? Wieso? Wohin denn?“
„Na, wohin du willst!“

„Aber ich kann nicht. Das ist unmöglich!“, stammelte sie.

Er schlang seine schützenden Arme um sie. Noch nie hatte sie sich so wohl geborgen gefühlt. Sie schloss ihre Augen und hielt den Atem an. Die Menschen um sie herum verschwanden, ihr war als würde die Zeit stehen bleiben und die Erde aufhören sich zu drehen und jeder Laut verstummen.

Sie hörte nichts. Nur das leise Rauschen des lauen Sommerwindes, als er durch die Blätter der Bäume wehte.

Sie spürte seinen warmen Atem an ihrem Ohr.

„'Unmöglich' gibt es nicht im Traum.“
Für alle von euch, die besser erzählen als die Realität.
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